Fragen zu Amyloidose

Was ist Amyloid (Amyloidose) und wie entsteht es?

Amyloid (Amyloidose) ist eine eiweißhaltige Ablagerung im Gewebe. Das Wort Amyloid („stärkeähnlich“) wurde von dem Pathologen Rudolf Virchow geprägt. Bei der Behandlung von amyloidhaltigem Gewebe mit einer Jodlösung und mit  Schwefelsäure hatte er eine Blaufärbung beobachtete. Diese Eigenschaft teilt Amyloid mit Stärke.

Rudolf Virchow schloss aus dieser Beobachtung, dass es sich bei Amyloid um Stärkeablagerungen handelt. Heute wissen wir, dass Amyloid überwiegend aus Eiweißablagerungen besteht und nur zu einem geringeren Anteil Stärke enthält.

Amyloidose entsteht, wenn Eiweiße ihre normale Struktur verlieren und eine sog. β-Faltblattstruktur annehmen. In mehreren Zwischenschritten bilden sich dann Amyloidfibrillen mit einem Durchmesser von 10 Nanometern. Man kann sie nur im Elektronenmikroskop bei 100.000-facher Vergrößerung als solche erkennen. Amyloidablagerungen wiederum bestehen aus Tausenden dieser Amyloidfibrillen, die ungeordnet zueinander liegen. Im Lichtmikroskop bei 100facher Vergrößerung sieht man lediglich eine strukturlose („homogene“) Ablagerung.

Es gibt viele Krankheiten, die mit Ablagerungen von Proteinen im Organismus einhergehen, aber kein Amyloid bilden. Diese Ablagerungen weisen in der Kongorotfärbung keine anomale Polarisationsfarbe auf.
Die im Amyloid abgelagerten Proteine stammen von Vorläuferproteinen ab, die im Körper eine normale, für den Körper wichtige physiologische Funktion ausüben. Um Amyloid zu bilden, müssen diese Proteine ihre Struktur ändern. Dabei gehen die physiologischen Eigenschaften verloren. Amyloid hat daher keine physiologische Funktion mehr, sondern stellt vielmehr einen krankhaften (pathologischen) Prozess dar.
Möglicherweise verfügt jedes Protein über die Fähigkeit, Amyloid zu bilden. Tatsächlich ist es aber so, dass nur bestimmte Proteine sich als Amyloid ablagern. Bislang sind über 25 verschiedene Proteine bekannt, die unter bestimmten Bedingungen Amyloid bilden. Diese Proteine sind sehr unterschiedlicher Natur, d.h. sie haben unterschiedliche Aufgaben in Körper, werden an unterschiedlichen Stellen des Organismus hergestellt und unterscheiden sich erheblich in der Anordnung ihrer Bausteine.
Amyloid kann in jedem Organ und in jedem Gewebetyp auftreten. Das Verteilungsmuster des Amyloids hängt von der Herkunft und der Art des abgelagerten Amyloidproteins ab. Die durch diese Ablagerungen entstehenden Krankheiten werden Amyloidosen genannt. Man spricht von systemischen Amyloidosen, wenn sich Amyloid in verschiedenen Organen und Geweben ablagert. Beim lokalen Amyloid ist nur ein Organ oder nur einen Gewebetyp befallen, z.B. die Harnblase oder die Lungen und das Amyloid wird lokal produziert und abgelagert.
Amyloidose ist keine einzelne Krankheit, sondern stellt eine Gruppe unterschiedlicher Krankheiten dar, denen die Ablagerung von Proteinen als Amyloid gemeinsam ist. Für die Bezeichnung dieser Amyloidkrankheiten hat man einen Buchstabenschlüssel entwickelt, der das ursächliche Amyloidprotein kennzeichnet. Vorangestellt wird der Buchstabe “A” für Amyloidose. Dem Buchstaben “A” folgt ohne Leerzeichen das Kürzel des Vorläuferproteins: z.B. ATTR. In diesem Beispiel steht “TTR” für das Vorläuferprotein Transthyretin. ALys bezeichnet eine Amyloidose, die aus dem Eiweiß Lysozym entstanden ist, AL-Amyloidosen sind aus Leichtketten aufgebaut und AA-Amyloidosen solche, die aus Ablagerungen von Serumamyloid A entstehen.
Amyloidosen entstehen auf sehr unterschiedliche Weise. Einige Formen sind genetisch bedingt und werden dann als familiäre oder hereditäre Amyloidose bezeichnet. Ursache dieser Amyloidosen sind Veränderungen im Erbgut (Gen-Mutation). Das so veränderte Vorläuferprotein erfüllt dabei oft weiterhin seine physiologische Aufgabe, hat aber eine stärkere Neigung, Amyloid zu bilden. Familiäre Amyloidosen sind außerhalb bestimmter geographischer Bereiche sehr selten.

Nichterbliche Formen der Amyloidose kommen häufiger vor. Die hierzu gehörenden AL- und AA-Amyloidosen zählen zu den am häufigsten auftretenden Amyloidosen überhaupt. Bei der AL-Amyloidose stellen Zellen des Knochenmarks (Plasmazellen) in großen Mengen ein Protein (Leichtketten) her, das sich von Antikörpern ableitet und als AL-Amyloid im Gewebe ablagert. AA-Amyloidosen treten bei Patienten auf, die langjährig an schweren Entzündungen leiden, wie z.B. an einer rheumatoiden Arthritis oder unbehandelten Tuberkulose. Eine weitere Ursache von AA-Amyloidosen sind bestimmte genetisch bedingte Erkrankungen, die mit häufigen Fieberschüben einhergehen (familiäres Mittelmeerfieber).

Schließlich gibt es eine in höherem Lebensalter auftretende Amyloidose, die rein altersbedingt ist und aus normalem (unverändertem) Transthyretin besteht, die sog. senile oder Altersamyloidose. Ihre Ursache liegt vermutlich in einer altersbedingten Störung des Proteinabbaus.

Wenn sich Amyloid im Körper ablagert, beeinträchtigt es allmählich die Organfunktionen. Das klinische Beschwerdebild hängt im Wesentlichen von der Verteilung und dem Ausmaß der Ablagerungen ab. So kann beispielsweise die Funktion des Herzens gestört sein, indem die Ablagerungen den Herzmuskel zunehmend versteifen oder Herzrhythmusstörungen auslösen. Ein Befall der Nieren beeinträchtigt die Nierenfunktion. Ablagerungen in Gefäßwänden verringert deren Elastizität und Stabilität, und es treten Blutungen auf. Ein Befall des Darms führt zu Durchfällen und vermindert die Aufnahme von Nahrungsbestandteilen, ein Befall peripherer Nervenbahnen zur Polyneuropathie.

Amyloid kann man prinzipiell nur anhand einer Gewebeprobe diagnostizieren, die bei einer Biopsie entnommen und anschließend vom Pathologen untersucht wird. Lediglich bei der ATTR Amyloidose mit Herzbefall besteht die Möglichkeit, diese mit Hilfe einer Szintigraphie und somit ohne Biopsie nachzuweisen. Es gibt keinen Bluttest und auch kein spezielles Ultraschall- oder Röntgenverfahren, das die Diagnose einer Amyloidose erlaubt. Prinzipiell ist jedes befallene Gewebe für die Diagnose einer Amyloidose geeignet. Häufig werden Proben vom Unterhautfettgewebe der Bauchhaut, vom Magen-Darm-Trakt, der Niere oder des Herzens gewonnen.

Mit einem speziellen Farbstoff, dem Kongorot, lassen sich Amyloidablagerungen anfärben. Wenn man die so gefärbten Ablagerungen in polarisiertem Licht betrachtet, zeigen sie eine charakteristische anomale grüne Polarisationsfarbe. Diese Eigenschaft des Amyloids, das Licht eines bestimmten, grünen Wellenlängenbereichs zu drehen, ist einzigartig und beweist das Vorliegen von Amyloid und damit einer Amyloidose.

Kongorot ist ein Farbstoff, der 1883 von dem Chemiker Paul Böttiger entwickelt wurde, der seinerzeit in der Firma Friedrich Bayer in Elberfeld arbeitete. Böttiger ließ den Farbstoff patentieren und bot sein Patent drei namhaften Firmen an (Bayer, BASF, Hoechst), die alle ablehnten. Schließlich verkaufte er sein Patent an die in Berlin ansässige Aktiengesellschaft für Anilinfarbenfabrikation (AGFA). Von 1885 an wurde der Farbstoff unter dem Namen Kongorot verkauft. Diesen Namen verdankt er wahrscheinlich einem Marketingtrick: Zwischen November 1885 und Februar 1886 fand in Berlin die Westafrika-Konferenz, die sog. Kongo-Konferenz, statt. “Kongo” war ein geläufiges Wort und es verwundert daher wenig, dass ein neuer Farbstoff den Namen “Kongorot” erhielt, auch wenn er mit dem Kongo selbst nichts zu tun hatte. Im Jahr 1922 veröffentlichte Bennhold seine Beobachtung, dass Kongorot Amyloid färbt. Die anomale Polarisationsfarbe wurde 1927 von Divry entdeckt. Die Kongorotfärbung ist bis heute der Goldstandard für den Nachweis von Amyloid und damit für die Diagnose einer Amyloidose.
Wurde Amyloid in einer Gewebeprobe nachgewiesen, so muss das Amyloidprotein bestimmt werden. Diese Klassifikation des Amyloids erlaubt eine Zuordnung der Amyloidose zu einer bestimmten Grunderkrankung und entscheidet über Notwendigkeit und Art einer Behandlung. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, das Amyloidprotein zu klassifizieren. Dies ist z.B. an der einmal gewonnenen Gewebeprobe mit Hilfe der Immunhistochemie möglich, es gibt aber auch eine Anzahl biochemischer Verfahren, die eine Klassifikation erlauben. Bei Verdacht auf das Vorliegen einer familiären Amyloidose sind außerdem molekulargenetische Untersuchungen notwendig, mit denen eine Mutation im Erbgut nachgewiesen werden kann. Hierzu reicht eine Blutprobe aus. In diesen Fällen sollte immer eine humangenetische Beratung erfolgen. ATTR Amyloidosen mit Herzbefall können in einigen Fällen mittels Szinitigrafie ohne Durchführung einer Biopsie diagnostiziert werden.

Ist eine systemische TTR-Amyloidose diagnostiziert worden, so kann man das Ausmaß der Amyloidablagerungen mit einer Szintigraphie bestimmen. Dazu wird eine radioaktiv markierte Substanz in das Blut gespritzt, die sich im Amyloid gezielt anreichern und dann mit einer speziellen Kamera nachgewiesen werden können.

Bei den anderen Amyloidoseformen kann man die Amyloidmenge und –Verteilung mittels SAP Szintigrafie feststellen, diese Methode steht in Großbritannien und den Niederlanden zur Verfügung.

Die Behandlung der Amyloidose hat das Ziel, die Amyloidbildung zu stoppen oder zumindest zu verlangsamen. Im besten Fall kommt es, insbesondere bei AL-Amyloidosen, bei erfolgreicher Behandlung auch wieder zu einer Verbesserung der Organfunktionen. Hierzu versucht man, die Menge des im Körper zirkulierenden Vorläuferproteins zu verringern. Dies kann man bei den einzelnen Amyloidoseformenmit unterschiedlichen Maßnahmen erreichen. Systemische AL-Amyloidosen werden mit Chemotherapie behandelt. Für die ATTR-Amyloidosen stehen mittlerweile mehrere Medikamente zur Verfügung, mit denen die Ablagerung durch selektive Stabilisatoren von Transthyretin oder durch RNA-basierte Therapeutika die weitere Ablagerung unterbunden wird. Bei familiären Amyloidosen kann eine Lebertransplantation vorgenommen werden, wenn das fehlerhafte Eiweiß aus der (kranken) Leber stammt. Bei der AA-Amyloidose richtet sich die Therapie gegen die zugrundeliegende chronische Entzündung.