Hereditäre Amyloidosen

Hereditäre (oder familiäre) Amyloidosen beruhen auf Mutationen im Erbgut, die die Aminosäuresequenz von Proteinen verändern. Hierdurch werden betroffene Proteine instabil, und ihre Neigung zur Bildung von Amyloid erhöht sich.

Ursachen

Häufigste Ursache sind Mutationen im Transthyretin (TTR)-Gen. Über 100 Punktmutationen sind in diesem Gen bekannt, die autosomal-dominant vererbt werden. In Europa ist die Mutation ATTR-Val30Met die weitaus häufigste, unter der afroamerikansischen Bevölkerung in den USA zeigt die Mutation ATTR-Val122Ile die höchste Prävalenz (zu finden bei 3 bis 4% afroamerkinischen US-Bevölkerung).

Deutlich seltener sind genetische Varianten anderer Eiweiße wie Apolipoprotein-A1, Fibrinogen-α, Gelsolin und Lysozym Ursache systemischer hereditärer Amyloidosen. Einige dieser Amyloidosen kommen schwerpunktmäßig in bestimmten geographischen Regionen vor, so z.B. die Gelsolin-Amyloidose in Finnland.

Diagnose

Letztendlich sollte bei Verdacht auf Amyloidose immer versucht werden, einen histologischen Nachweis aus Biopsie-Material herbeizuführen. Hierbei sollte auch immer eine Typisierung des Amyloids erfolgen. In manchen Fällen, insbesondere bei Befall des peripheren Nervensystems, kann bei typischer klinischer Symptomatik nach Ausschluss von Differentialdiagnosen der Nachweis einer entsprechenden genetischen Mutation zur Diagnosestellung genügen.

Symptome

Das klinische Erscheinungsbild hereditärer Amyloidosen ist variabel und hängt vom Vorläuferprotein und der spezifischen Mutation ab. Eine sehr typische Manifestation vieler ATTR-Mutationen, u.a. auch ATTR-Val30Met, ist die familiäre Amyloidneuropathie (FAP). Dieser Begriff wurde früher daher auch synonym für die hereditären TTR-Amyloidosen gebraucht, umfaßt aber nur einen Teil ihres Manifestationsspektrums. Bei der FAP sind neben den peripheren Nerven i. S. einer Polyneuropathie in unterschiedlichem Ausmaß auch Herz, Magen-Darm-Kanal, Auge und autonomes Nervensystem betroffen. Bei einer Reihe anderer TTR-Mutationen steht die Herzbeteiligung im Vordergrund; man spricht dann von einer familiären Amyloidkardiomyopathie (FAC). Einige Mutationen manifestieren sich primär mit einem Karpaltunnelsyndrom, wiederum andere in einer leptomeningealen Form mit Spastik, Ataxie, epileptischen Anfällen, zerebralen Blutungen und Demenz. Bei ApoA1/A2-, Lysozym– und Fibrinogen-α-Amyloidosen steht der Nierenbefall im Vordergrund, Neuropathien ähnlich einer FAP können hinzutreten. Gelsolin-Amyloidosen sind durch Hirnnerven- und Hornhautbefall (gittrige Hornhautdystrophie) gekennzeichnet.

Obwohl familiäre Amyloidosen im genetischen Code angelegt sind, machen sich viele Formen erst in den mittleren oder späteren Lebensjahren bemerkbar. Bei der häufigsten Form, der ATTR- Amyloidose vom Val30Met-Typ, gibt es sogar zwei weit auseinanderliegende Altersgipfel: Beim portugiesischen Typ erkranken die Patienten um das 30. Lebensjahr, während Patienten mit dem schwedischen Typ erst zwischen dem 50. und 80. Lebensjahr erkranken. Die Ursache für dieses Phänomen ist unklar. In Deutschland kommen beide Varianten vor.

Gerade bei der Spätmanifestation wird nur selten an eine genetische Ursache der Polyneuropathie gedacht und damit die Chance für eine rechtzeitige Therapie verpasst. Auch wird in dieser Altersgruppe manchmal zunächst eine AL-Amyloidose vermutet, obwohl tatsächlich eine ATTR-Amyloidose vorliegt. Dies unterstreicht die Wichtigkeit der Charakterisierung des amyloidbildenden Proteins für eine zutreffende Diagnose und adäquate Therapie.

Therapie

Hereditäre Amyloidosen sind prinzipiell durch Organtransplantation behandelbar, wenn das verursachende Protein vorwiegend in der Leber gebildet wird. Dies ist bei Transthyretin-, Apoliprotein-A1- und Fibrinogen-α-Amyloidosen der Fall. Die Transplantation einer Leber von einem gesunden Spender führt dazu, dass das genetisch veränderte Vorläuferprotein nicht mehr gebildet und ins Blut sezerniert wird. Vor allem bei jungen Patienten kann hierdurch die Prognose entscheidend verbessert werden. Für ältere Patienten oder Patienten in einem fortgeschrittenen Stadium der Amyloidose kommt eine Lebertransplantation häufig jedoch nicht in Frage.

Bei den hereditären ATTR-Amyloidosen wurden in den letzten Jahren einige Therapieansätze etabliert. Ende 2011 wurde die Substanz Tafamidis (Vyndaqel®) zur Behandlung von Patienten mit TTR-FAP im Stadium 1 (gehfähig ohne Hilfsmittel) zugelassen. Hierbei handelt es sich um eine Substanz, welche Transthyretin stabilisiert und seine weitere Ablagerung hemmt. Hierdurch kann eine weitere Zunahme der Polyneuropathie verzögert werden. Ende 2018 wurden Inotersen (Tegsedi®) und Patisiran (Onpratto®) zur Behandlung der TTR-FAP im Stadium 1 und 2 zugelassen. Durch diese Medikamente wird durch Interaktion mit der TTR-mRNA in der Leber die Neubildung von TTR reduziert, wodurch ebenfalls die Neuablagerung von Transthyretin wirksam vermindert wird. Bei hereditärer ATTR-Amyloidose mit kardialem Befall wurde Anfang 2020 Tafamidis (Vyndaqel®) in einer Dosierung von 61 mg zugelassen. Die medikamentöse Therapie steht bei hereditärer ATTR-Amyloidose im Gegensatz zur Lebertransplantation heutzutage ganz im Vordergrund.

In Einzelfällen kann bei Patienten mit fortgeschrittenem Herzbefall eine Herztransplantation in Betracht kommen.

Derzeit werden in mehreren Zentren klinische Studien durchgeführt, in denen die Wirksamkeit von Medikamenten, welche mit der TTR-mRNA interagieren für die ATTR bedingte familiäre Amyloidneuropathie und -kardiomyopathie untersucht werden.